Symbolbild für Antidepressiva absetzen
Einfach eine Pille nehmen, und alles ist wieder gut? Die Realität ist komplizierter.
Antidepressiva

Antidepressiva absetzen

Antidepressiva werden weltweit von Millionen von Menschen eingenommen, was sich unter anderem in den Statistiken großer Internetapotheken widerspiegelt, bei denen Antidepressiva bestellt werden können. Etabliert sind die so genannten Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI). Sie helfen in den meisten Fällen zuverlässig und schnell. Wenn es dem Patienten wieder besser geht, sollte er sie absetzen. Doch das ist nicht immer einfach. Selbst Experten sind sich oft nicht einig, wie man Antidepressiva absetzt.

Antidepressiva absetzen: oft problematisch

Je nach Bedarf müssen Antidepressiva oft über Monate oder sogar Jahre eingenommen werden. In dieser Zeit gewöhnt sich der Körper an den Wirkstoff. Wird das Medikament abgesetzt, muss mit Entzugserscheinungen gerechnet werden. Häufig sind grippeähnliche Beschwerden, Schlafstörungen, innere Unruhe, Gefühlsstörungen und Magen-Darm-Beschwerden. Von einem Relapse-Syndrom spricht man, wenn die früheren depressiven Symptome verstärkt wieder auftreten. Ob und wie stark diese auftreten, ist individuell verschieden.

Meist klingen die Symptome nach einiger Zeit von selbst wieder ab, der Patient gilt dann als geheilt. Tritt jedoch auch nach mehreren Wochen keine Besserung ein, kann ein sogenanntes “persistierendes Entzugssyndrom” vorliegen. Diese können Monate oder sogar Jahre andauern. Da es schwer von einem Rückfall zu unterscheiden ist, erhalten die Patienten häufig erneut Antidepressiva. Kritiker weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Präparate oft zu schnell verschrieben werden und sich die Ärzte zu wenig Zeit für eine sorgfältige Diagnose nehmen.

Weitere Forschung erforderlich

Was genau unter dem Einfluss der Medikamente im Gehirn passiert, ist noch Gegenstand der Forschung. Als sicher gilt jedoch, dass mit der Zeit eine Gewöhnung eintritt. In manchen Fällen kann es sinnvoll sein, die Medikamente nicht von heute auf morgen abzusetzen. Besser ist ein langsames “Ausschleichen”, ähnlich wie bei den süchtig machenden Benzodiazepinen. Allerdings fehlen dazu noch verlässliche Daten. Wie schnell die Dosis reduziert werden sollte und in welchen Fällen dies am besten funktioniert, ist noch nicht ausreichend erforscht. Auch die zunehmende Zahl von Patienten, die sich Antidepressiva auf eigene Faust besorgen, spiegelt sich in den Daten nicht wider.

Die bisher beste Arbeit zum Entzug von SSRI-Antidepressiva (z.B. Citalopram) wurde 2015 von Giovanni Fava von der Universität Bologna verfasst. Fava fasste die Ergebnisse der relevantesten Studien und Untersuchungen zusammen. Im Jahr 2018 veröffentlichte er eine ähnliche Arbeit über SSNRI-Antidepressiva. Er kommt darin zu dem Schluss, dass Antidepressiva, ähnlich wie Benzodiazepine, in die Liste der Medikamente aufgenommen werden sollten, die Entzugssymptome hervorrufen können.

Experten wie der Bremer Psychiater Uwe Gonther plädieren dafür, Antidepressiva künftig nur noch in schweren Fällen und nach eingehender Diagnostik zu verschreiben. Als Alternative nennt er die Psychotherapie, die bei gleicher Wirkung deutlich weniger Risiken und Nebenwirkungen habe. Eine Kombination von Pharmakotherapie und Psychotherapie hat sich in mehreren Studien als die wirksamste Methode erwiesen und ist vor allem bei schweren Depressionen sinnvoll.

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